Eine kleine Lach-Kammermusik (1967)

Jahr: 1967
Label: Philips, LP 843 981 PY
Format: LP
Gesamtlaufzeit: ca. 41:38 min.

Männerchor · Wer hat meinen Vogel gesehen? · Frau Dudel­stedt · Der Tüten­puste­beat­blues · Bachsche Invention · Leibweh · Frühschoppen
Laufzeit: 22:41

Ich kann den Jazz nicht leiden · Du hast mich glatt um den Verstand gebracht · Das darf doch wohl nicht wahr sein · Ich plagiatiere · Irene
Laufzeit: 18:57

Rückseitiger Cover-Text:

»Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Räume stoßen sich die Sachen.«
(Friedrich von Schiller, »Wallensteins Tod«, zweiter Aufzug, zweiter Auftritt)

Es mag überraschen, ja unangemessen erscheinen, wenn diese Schallplatte unter das Motto eines Schiller-Wortes gestellt wird. Aber ein Zitat von Goethe, das natürlich viel besser hierher gepaßt hätte, ließ sich in der Eile nicht finden.

Doch gemach! Des weisen Wallenstein wirkendes Wort trifft genau den Kern dessen, was Hermann Hoffmann vorhat: die enge Besiedlung des akustischen Raumes. Musik und Wort, Gesang und Geräusch drängen sich wie künstliche Sonnen, Weltraumkapseln und Milchstraßensysteme im All der Astronauten von morgen. Hermann Hoffmann ist ein so souveräner und so geschickter Magier, daß man den Schwierigkeitsgrad seiner Kunststücke mehr ahnen als wirklich beurteilen kann. Wie er ein personenreiches Einmanndrama auf die Stereo-Bühne bringt, die Stimmen von der extremen Linken durch das Zentrum zur extremen Rechten jagt, wie er Dialekte, Slang und Hofschauspielerdeutsch zu Klumpen ballt, wieder auflöst und dabei immer alles durchsichtig läßt – das verrät den altgedienten, zwischen Mikrophonen, Mischpulten, Hallanlagen und Verzerrern großgewordenen Hexenmeister. Diesen lobenswerten, so echt abendländischen Sinn für das Totale, Allumfassende entwickelt Hoffmann auch als Musiker. Der Beginn der Schallplatte bietet ein eindrucksvolles Beispiel für seinen Hang zur kühn gesehenen und kühn verwirklichten Zusammenfassung des scheinbar Gegensätzlichen. Da verbindet sich kindliche Unschuld (Schlafe, mein Prinzchen, schlaf ein) mit der Erfahrenheit des erotisch eingeweihten Mannes (Don Giovanni), italienisches Feuer (Rossini) und französischer Esprit (Avignon) mit deutscher Waldseligkeit (Freischütz), klassische Klarheit der Kontur (Nachtmusik) mit dem Sehnsuchtston der aufdämmernden Romantik (Ich liebe dich). Und all das singt er – im Playback – nicht nur einmal, sondern mehrmals und immer wieder, bis er seinen »Männerchor« zusammenhat.

All dies wird nun auf der heißen Flamme des Jazz gekocht und zusammengeschmolzen. Auch hier, als Koch und als Mixer, zeigt Hoffmann Format. Blues, Balladen und bouncenden Bachspielter à la Jackie Davis auf der Hammond-Orgel, daß es nur so eine Art hat. Er weiß, daß bei einer Schallplatte, wie der vorliegenden, auch musikalisch alles stimmen muß. Das Lied von der Entstehung der »Oben ohne«-Mode wird erst dadurch glaubwürdig, daß der Chronist nicht nur die Bluse, sondern auch die Blue-Notes auszuwringen weiß. Die Kapitel von »Hoffmanns Erzählungen«, als da sind: Anekdoten und politisch angehauchte Satire, Schnulzenparodie und Bebop-Vocal, virtuos übereinander kopierte Polyphonie der einen Stimme und unverfälschter Blödsinn werden zusammengehalten durch einen roten Faden, der den Hörer aber nicht an die Kandare nimmt.

Wer in all dem Scherz und in all der Satire eine tiefere Bedeutung sucht, tut es auf eigene Gefahr. Hoffmanns »Tropfen« wollen unterhalten.

Werner Burkhardt

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